Illustration: Johanna Schaible

Dass eine Historikerin wegen ihrer wissenschaftlichen Arbeit von einem Holocaust-Leugner vor Gericht gezerrt wurde, löst in uns sofort Empörung aus. Glücklicherweise entschied der Richter zugunsten der Wissenschaftlerin. Aber: Was wäre, wenn er anders entschieden hätte?

Darf ein britischer Einzelrichter über eine historische Wahrheit im Dritten Reich entscheiden? Kann es gut kommen, wenn ein US-amerikanischer, erzkonservativer Bundesrichter über die Evolutionstheorie im Biologieunterricht entscheidet? Oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg über die Wahrscheinlichkeit eines Weltuntergangs am Cern in Genf? Es ist fraglich, ob Richterinnen und Richter wissenschaftlich genügend kompetent sind, um über solch komplexe Inhalte urteilen zu können.

US-Rechtswissenschaftler Eric E. Johnson sieht kein grundsätzliches Problem: «Kein Gericht sollte auf das Herstellen von Gerechtigkeit verzichten.» Selbst wenn «die Faktenlage  intellektuell immens herausfordernd und juristisch extrem verzwickt ist». Mit anderen Worten: Selbstverständlich unterstehen auch die Forschenden dem Gesetz.

Genauso wie die Wissenschaft ist auch die Justiz ein Eckpfeiler einer Zivilisation. Sie hat über Jahrtausende Wege gefunden, wie möglichst viel Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Mit ihrer akribisch strukturierten Vorgehensweise, ihren eigentümlichen Umgangsformen und nicht zuletzt durch das Beiziehen von – oft wissenschaftlicher – Expertise.

Doch Gerichtsverhandlungen machen die Arbeit der Forschenden bisweilen schwierig. Mit der zunehmenden Bedeutung – und Politisierung – der Wissenschaft werden sich Forschende wohl noch öfter im Gerichtssaal wiederfinden. Daran müssen sie sich gewöhnen. Damit sie nicht aus Angst ihre für die Wahrheitsfindung so wichtige Offenheit und Diskussionskultur aufgeben, müssen sie den Umgang mit dem oft verwirrenden Justizapparat möglichst schnell lernen.