WISSENSCHAFTSFREIHEIT
Neutralität von Unis angezweifelt
Der Waadtländer Grosse Rat schreibt der Universität Lausanne eine «neutrale Wissenschaftskommunikation» vor.

Im Mai 2024 besetzten pro-palästinensische Studierende das Gebäude Géopolis an der Universität Lausanne und forderten einen Boykott akademischer Institutionen in Israel. | Foto: Valentin Flauraud / Keystone
Die Gaza-Proteste an der Universität Lausanne Anfang Jahr belebten die Diskussion im Waadtländer Grossen Rat zum Mehrjahresplan der kantonalen Hochschule. Ende August 2024 geriet dort ein Satz des Dokuments in den Fokus, wonach «die Wissenschaftskommunikation im Dienste der Gesellschaft gefördert werden soll». Der SVP-Grossrat Cédric Weissert störte sich gemäss «20 minutes» daran, dass während der Proteste mit Israel zusammenarbeitende Forschende an den Pranger gestellt wurden. Deswegen wollte Weissert lieber eine Wissenschaftskommunikation fördern, «die die wissenschaftliche Neutralität respektiert». Obwohl sich Carine Carvalho, SP-Grossrätin und Mitarbeiterin der Universität, empörte, dass «die Forschenden nicht schweigen können, wenn es um wissenschaftliche Fakten geht», wurde die Änderung angenommen.
Seither ist es in den Medien dazu ruhig geblieben. Im Mai war die wissenschaftliche Neutralität noch ein grosses Thema. So haben sich zum Beispiel 20 Schweizer Professorinnen der Philosophie in «Le Temps» geäussert. Obwohl häufig fundamental anderer Meinung, seien sich alle einig, dass eine Universität politisch neutral sein müsse. Ansonsten verliere sie ihre Glaubwürdigkeit und Legitimität. Wenn Leute mit anderen Meinungen abgeschreckt werden, diese zu vertreten, würde eine Hochschule dogmatisch.
Hingegen: «Die Neutralität der Institution verbietet in keinem Fall den Dozierenden, selbst Position zu beziehen. Sie haben das Recht, jede noch so kontroverse und ketzerische Hypothese mit Argumenten zu vertreten», schreiben die 20. Das sei wiederum kein Freipass für Aktivismus bei der Arbeit. Die Freiheit umfasse auch die Pflicht, «sich über die Meinung der Gegenseite zu informieren», «die Vertretenden im bestmöglichen Lichte darzustellen » und «sie nicht zu verunglimpfen».
