In Aufsätzen von Teenagern können Algorithmen Hinweise auf ADHS finden. | Foto: Pavel Danilyuk / Pexels

Die Anzeichen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in autobiografischen Aufsätzen aufspüren: Diese Idee verfolgten Juan Barrios und Martin Debbané, Forscher an der Universität Genf. «Die Analyse des Sprachstils in Bezug auf die Bedeutung von Wörtern und ihre Häufigkeit wird bereits eingesetzt, um sprachliche Marker bei Depressionen oder posttraumatischem Stress zu erkennen», erklärt Psychologe Barrios. «Normalerweise dient die sogenannte Stilometrie dazu, den Autor eines Textes zu identifizieren. Wir wollten herausfinden, ob sich damit auch sprachliche Marker für ADHS bei Jugendlichen finden lassen.»

An der Untersuchung nahmen zwei Gruppen mit 24 französischsprachigen Teenagern teil – die einen mit bestätigten Diagnosen, die anderen Jugendliche aus der Genfer Gesamtbevölkerung. Die Teenager verfassten je drei Aufsätze mit persönlichen Erinnerungen. Ihre Texte wurden danach mithilfe eines stilometrischen Algorithmus und anderer Techniken der maschinellen Sprachverarbeitung statistisch analysiert. Die Form war wichtiger als der Inhalt, wobei der Schwerpunkt auf Funktionswörtern oder Zeichenfolgen lag.

«Ziel ist nicht, die Diagnose durch KI zu stellen, sondern den Fachleuten ein nützliches Werkzeug in die Hand zu geben.»Juan Barrios

Ein starker Marker war die Verwendung des Pronomens «on» (man/wir) in der ADHS-Gruppe im Vergleich zu «je» (ich) bei den Kontrollpersonen. «Das spiegelt oft eine zurückgezogene Haltung wider, die mit Schwierigkeiten bei der Emotionsregulierung zusammenhängen kann», so Barrios. Das bestätigt seine Beobachtungen in zwanzig Jahren klinischer Praxis. Je nachdem ermöglichen die Marker korrekte Vorhersagen bei 70 bis 100 Prozent der Fälle.

Das sind vielversprechende Ergebnisse, auch wenn noch Vorbehalte bestehen: «Ziel ist nicht, die Diagnose durch KI zu stellen, sondern den Fachleuten ein nützliches Werkzeug in die Hand zu geben», erklärt Barrios. Zur Validierung der Methode sind umfassendere Studien erforderlich. Ausserdem muss das Modell für die Anwendung in anderen Sprachen neu getestet werden.

J. Barrios et al.: Detecting ADHD through natural language processing and stylometric analysis of adolescent narratives. Frontiers in Child and Adolescent Psychiatry (2025)