EXOPLANETEN
Teleskope spüren Ausserirdische auf
Schweizer Astronomieforschende gehören zu den Vorreitern auf der Suche nach Leben in anderen Sonnensystemen. Etwa wenn sie die schwachen Signale von Exoplaneten analysieren.

Um Trappist-1, den Stern im Hintergrund, kreisen sicher sieben erdähnliche Planeten, auf denen es Wasser geben könnte. | Illustration: Eso / M. Kornmesser
Im Juli 1995 war das Teleskop des Observatoire de Haute-Provence auf das Sternbild Pegasus gerichtet. In den Daten des sonnenähnlichen Helvetios, wie man den Stern heute nennt, tauchte dabei eine winzige Anomalie auf, eine minimale periodische Veränderung des Lichts. Die Schweizer Forscher Didier Queloz und Michel Mayor hatten von einem Plateau, das hundert Kilometer nördlich von Marseille liegt, den ersten Exoplaneten entdeckt. «Das war damals eine Sensation», erklärt Sascha Quanz, von der ETH Zürich. Und resultierte in einem Nobelpreis für Queloz und Mayor.
Mit Dimidium, wie der Planet, der Helvetios umkreist, später getauft wurde, stellte sich die uralte Frage neu: Gibt es irgendwo da draussen Leben? Die Liste der Kandidaten für eine zweite Erde jedenfalls wird aktuell wöchentlich länger. Über 5600 Exoplaneten haben Forschende bislang entdeckt, kuriose sind darunter, deren Oberfläche etwa komplett mit Wasser bedeckt ist oder die zu einem Grossteil aus Diamanten bestehen. Über die meisten jedoch ist ausser ihrem Radius praktisch nichts bekannt. Nur rund 100 kennt man genauer. Immerhin gut 50 Kandidaten befinden sich in der sogenannten habitablen Zone, in der Leben, wie wir es kennen, theoretisch möglich ist.
Ein System wie das unserer Sonne ist dabei sozusagen die Blaupause, auch wenn andere Welten denkbar sind. «Wir haben in den vergangenen 30 Jahren gelernt, dass es eine unglaubliche Vielfalt an Planeten und Sternsystemen gibt, die weit über das hinausgeht, was wir uns vorstellen konnten. Und dennoch stehen wir bei der Suche nach Leben immer noch am Anfang», sagt Quanz.
Zwei Planetensysteme im Fokus
Fünf Kriterien haben Forschende identifiziert, die für Leben notwendig sind: flüssiges Wasser, eine Energiequelle, chemische Bausteine des Lebens, eine Atmosphäre, die vor harter Strahlung schützt, und stabile Umweltverhältnisse, damit Leben genügend Zeit hat, um zu entstehen. Auf der Erde hat es weniger als eine Milliarde Jahre gedauert, bis die ersten Lebensformen auftauchten.
Über die Spuren des Lebens in anderen Sternsystemen kann uns nur das Licht informieren, das bis zu uns gelangt. Moleküle wie Sauerstoff, Ozon, Methan, bestimmte Kohlenstoffverbindungen und Wasserdampf, die in deren fernen Atmosphären existieren, würden bestimmte Wellenlängen des Lichts aus dem Licht ihres Muttersterns absorbieren und so ihren spektralen Fingerabdruck hinterlassen.
«Es ist letztlich eine Frage, wie gut unsere Instrumente die Signale auflösen können», sagt Christoph Mordasini, Leiter der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie an der Universität Bern. Bisher konnten die Forschenden oft nur den Radius eines Exoplaneten bestimmen, wenn dieser direkt vor seinem Stern vorbeizog. Ist es möglich, gleichzeitig die Umlaufgeschwindigkeit zu messen, lässt sich damit auch seine Masse bestimmen. Sind Masse und Radius einmal bekannt, geben die fernen Objekte auch ihre mittlere Dichte preis, womit die Forschenden die Planeten in Gasplaneten, Neptun-artige und erdähnliche Planeten einteilen können. Für die Suche nach Leben ist das wichtig, denn nicht alle Arten von Planeten können Wasser auf ihrer Oberfläche halten.
«Lange konnten wir nur die grossen, dicken Gasplaneten studieren», sagt Quanz. «Jetzt rücken allmählich die erdähnlichen in den Fokus.» Zwei Sterne sind gerade besonders im Fokus: Trappist-1 und Proxima Centauri. «Golden targets», nennt sie Quanz. Der 40 Lichtjahre entfernte Trappist-1 hält mit sie-ben bekannten Planeten den Rekord für das grösste bekannte System ausserhalb des unsrigen. Darunter befinden sich drei felsige, erdähnliche Planeten in der habitablen Zone. Der von der Erde aus gesehen nächste Exoplanet ist mit nur etwas mehr als vier Lichtjahren Entfernung jedoch Proxima Centauri b.
Christophe Lovis von der Universität Genf ist auf Spektroskopie von Exoplaneten spezialisiert und wertet mit seinen erdgestützten Instrumenten das Licht aus, das vom Stern durch die Atmosphären der Planeten dringt. «Wir müssen das winzige Signal eines Planeten vor dem oft Millionen Mal helleren Mutterstern herausfiltern.» Bislang ist das nur für kleinere, schwächere Sterne wie Trappist-1 und Proxima Centauri möglich, allerdings nur, wenn die Planeten direkt vor dem Stern vorbeifliegen. Für erdähnliche Planeten vor grossen, leuchtstarken Sternen bräuchte man leistungsstärkere Teleskope und Spektrografen.
Die Forschenden müssen geduldig sein: Bis die Messinstrumente einmal gebaut und die dafür benötigten Teleskope fertiggestellt sind, vergehen oft Jahre. Lovis entwickelt Spektrografen für ein erdgestütztes, im Bau befindliches Grossprojekt, das Extremely Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (Eso) in der chilenischen Atacama-Wüste mit einem Spiegeldurchmesser von fast 40 Metern, dem etwa Vierfachen des aktuell leistungsstärksten Teleskops. Es soll Spurengase in der Atmosphäre von erdähnlichen extrasolaren Planeten finden können.
Teleskop misst Geruch von Meer
Kürzlich gab es Wirbel, als das James-Webb-Weltraumteleskop auf einem exotischen Planeten namens K2-18b schwache Hinweise auf Dimethylsulfid aufgespürt hatte. Die Interpretation sei aber stark umstritten. Es könnte von Plankton aus einem Ozean stammen. «Das wäre der Geruch des Meeres», sagt Mordasini von der Universität Bern. «Die spektroskopischen Signale von Leben richtig zu deuten, ist schwer.» So gilt Sauerstoff auf der Erde als eindeutiger Hinweis auf Leben. Allerdings könnte ein Sauerstoffsignal auch auf einem wasserreichen Exoplaneten ohne Leben vorkommen, der einer harten UV-Strahlung ausgeliefert ist, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Bei schwacher Gravitation entweicht der leichte Wasserstoff ins All und lässt nur schwereren Sauerstoff zurück.
Die boomende Forschung nach der Entstehung des Lebens soll Hinweise auf neue Zielmoleküle geben, die auf der Erde eine Rolle gespielt haben können. Hier ist viel interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig, von Astrobiologinnen und Geochemikern bis hin zu Physikerinnen. Auch die Simulation fremdartiger Welten ist wichtig. Es könnte schliesslich auch Leben geben auf Planeten, die ganz anders aussehen als unsere Erde. Neuere Studien haben gezeigt, dass Leben auch auf einem Planeten mit einer Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium möglich wäre, sie wäre so dicht wie «undurchdringlicher Nebel». Da sie stark isolieren würde, würde die Wärme aus dem Inneren des Planeten ausreichen, um Wasser flüssig zu halten. «Dieser Zustand könnte viele Milliarden Jahre andauern», sagt Mordasini – Zeit genug, dass sich dort auch Leben entwickeln könnte.
Die Erde dient als Testfall
Sein Kollege Quanz forscht auch an der Entstehung des Lebens. Der Zweig wird vorangetrieben von Nobelpreisträger Queloz. Erkenntnisse daraus sollen auch in die geplante Exoplaneten-Mission Large Interferometer for Exoplanets (Life) einfliessen. Die ambitionierte internationale Initiative unter Führung der ETH Zürich soll im Weltraum nach bewohnbaren terrestrischen Exoplaneten suchen. Dort, wo aktuell schon das James-Webb-Teleskop stationiert ist, sollen fünf Satelliten gemeinsam ein grosses Teleskop bilden, das die Wärmestrahlung von Exoplaneten auffangen wird.
Der Astrophysiker Quanz hat sich Venus, Erde und Mars als drei Modellplaneten zum Vorbild genommen, die das Teleskop sicher aus einem Abstand von Lichtjahren erkennen und voneinander unterscheiden können soll. Von der Erde gibt es auch einige zeitliche Varianten. «Die Erde vor zwei Milliarden Jahren sah ganz anders aus», sagt Quanz. «Wenn wir irgendwo eine junge Erde finden sollten, müssen wir sie auch erkennen. Wir wissen ja nicht, in welcher Phase sich irgendein Planet befindet.»
Doktorierende in seiner Forschungsgruppe haben jüngst den Ansatz der Life-Mission mit Atmosphärendaten von der Erde getestet. Sie perfektionierten damit eine berühmte Idee des umtriebigen Astrophysikers Carl Sagan. Die Messdaten der Galileosonde, die damals auf dem Weg zum Jupiter an der Erde vorbeiflog, legten nahe, dass auf der Erde Leben verbreitet war. «Das war ein kluges Experiment», sagt Quanz. Nun sind die technologischen Möglichkeiten gestiegen, was auch notwendig ist, denn wir beobachten ja einen Exoplaneten aus Lichtjahren Entfernung. «Wir erhalten quasi einen Planeten als Pixel, in dem alle gemittelten Signaturen des Lebens und der Geologie komprimiert sind.»
Auf die Frage, ob wir, wenn wir eine zweite Erde entdeckt haben, auch jemals werden hinfliegen können, lacht Quanz nur. «Für mich ist das auch ein philosophisches Thema. In 20 Jahren wird Life zwischen 30 und 50 erdähnliche Planeten in einer bewohnbaren Region ausgewertet haben. Wenn es auf keinem dieser Planeten globale atmosphärische Signaturen von Leben gibt, wissen wir, dass Planeten wie die Erde sehr selten sind. Diese Erkenntnis würde unseren Blick so verändern, wie es zuletzt Kopernikus getan hat.»
