Misato Toda aus Japan möchte sich für die Umwelt einsetzen. Sie wird sich immer an ihre Zeit in der Schweiz erinnern. | Foto: Mpho Mokgadi

«Es scheint mir, für eine wissenschaftliche Karriere ist der Doktortitel aus der Schweiz hilfreicher»
Misato Toda
Doktorandin in Bodenökologie bei Agroscope

«Mein Wunsch ist es, den Klimawandel zu stoppen und unsere schöne Natur zu erhalten. Weltweit werden jährlich mehr als 100 Millionen Tonnen Stickstoff auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht. Pflanzen können nicht mal die Hälfte dieser Düngemittel aufnehmen, ein grosser Teil versickert in angrenzende Gebiete. Deshalb sind viele Boden- und Wasserökosysteme bedroht. Eine effizientere Stickstoffzufuhr aus dem Boden zu den Pflanzen ist also zukunftsweisend für die Landwirtschaft. Mikroben im Boden können helfen, dieses Ziel zu erreichen. Daher erforsche ich die Gemeinschaften der Mikroorganismen im Erdreich.

Ich erlebe einen guten wissenschaftlichen Austausch an meinem Institut. Es scheint mir, für eine wissenschaftliche Karriere ist der Doktortitel aus der Schweiz hilfreicher und anerkannter als einer aus Japan. In meiner Heimat haben die Leute eher negative Vorstellungen von einer Doktorarbeit.

«In Japan legen Menschen mehr Wert darauf, ein gutes Mitglied der Gemeinschaft zu sein.»

Wie ich den kulturellen Unterschied zwischen Japan und der Schweiz wahrnehme? Kurz gesagt – Kollektivismus versus Individualismus. In Japan legen Menschen mehr Wert darauf, ein gutes Mitglied der Gemeinschaft zu sein, als eigene Wünsche zu verfolgen. Schon in unserer Sprache manifestiert sich die Hierarchie der Gesellschaft. Es gelten sprachlich strikte Regeln je nach Alter und sozialem Rang. In der Schweiz wird auch mehr Zärtlichkeit offen gelebt. Wir sind zurückhaltend, so habe ich meine Eltern noch nie umarmt, auch wenn ich sie nur einmal im Jahr in meinem Heimatort Niigata im Norden von Japan besuche. An meine Zeit in der Schweiz werde ich mich immer erinnern.»

Luísa Superbia Guimarães aus Brasilien untersucht bei uns das Arbeitsgedächtnis von Kindern. Sie hat die Stille in der Schweiz schätzen gelernt. | Foto: Mpho Mokgadi

«Hier bin ich als Spezialistin anerkannt, die zum Fortschritt der Wissenschaft beiträgt»
Luísa Superbia Guimarães
Doktorandin in Psychologie an der Universität Freiburg

«Ich komme aus der Region von São Paulo in Brasilien. Als Psychologiestudentin interessierte ich mich früh für die Gedächtnistheorien, insbesondere für das Modell des Arbeitsgedächtnisses, das Professorin Valérie Camos an der Universität Freiburg entwickelt hat. Ich fragte sie deshalb an, ob ich meine Doktorarbeit in ihrem Labor schreiben könnte, und sie schlug mir vor, mich für ein Exzellenz-Stipendium zu bewerben. Das habe ich dann erhalten. Seit August 2019 führe ich nun ein Projekt zum Arbeitsgedächtnis bei Kindern mit ADHS durch. Ich überprüfe, ob und mit welchen Ergebnissen die Kinder eine als Aufmerksamkeitsauffrischung bezeichnete Strategie anwenden.

«In Brasilien gibt es eher ein Zweiklassensystem: Es gibt die Professorenschaft und die Studierenden, aber nichts dazwischen.»

Ich hatte keine Ahnung, was mich in der Schweiz erwarten würde. Ich wusste nur, dass hier Spitzenforschung im Bereich der kognitiven Psychologie betrieben wird. Mit der Erfahrung von fast zwei Jahren hier gefällt mir am besten, dass ich mich auch als Doktorandin als Teil der Universität fühle. In Brasilien gibt es eher ein Zweiklassensystem: Es gibt die Professorenschaft und die Studierenden, aber nichts dazwischen. Hier bin ich als Spezialistin anerkannt, die zum Fortschritt der Wissenschaft beiträgt. Ich habe mein eigenes Büro und kann unterrichten. Das ist sehr motivierend, und ich kann viele Kompetenzen entwickeln! Ausserdem ist die Betreuung durch meine Professorin sehr inspirierend. Privat geniesse ich besonders die Berge, die Natur. Ich habe viel entdeckt, zum Beispiel das Wandern. Und die Stille – ein grosser Kontrast zum Lärm in meinem Land!»

Ayman Ahmed aus dem Sudan charakterisiert bei uns das Virom von Mensch und Tier. Seine Familie im Sudan verbindet die Schweiz mit Süssigkeiten. | Foto: Mpho Mokgadi

«Im Sudan hat die Gesellschaft einen stärkeren Einfluss auf individuelle Entscheidungen»
Ayman Ahmed
Doktorand in Epidemiologie und One Health an der Universität Basel

«One-Health-Politik ist die Voraussetzung zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit von Menschen und Tieren. One Health bedeutet, den Mehrwert einer engeren Zusammenarbeit zwischen der Veterinär- und der Humanmedizin aufzuzeigen. Mit einer Strategie der raschen Reaktion lassen sich Häufigkeit wie auch Intensität von Ausbrüchen neu auftretender Krankheiten verringern. Covid-19 ist ein Beispiel für eine Viruserkrankung tierischen Ursprungs. Ich erforsche, welche Wirkung die Einführung und Überwachung dieser Erkrankungen hat. Wir untersuchen und charakterisieren das unter Menschen, Tieren und Überträgern zirkulierende Virom, also die Gesamtheit der Viren, indem wir blutsaugende Gliederfüsser sammeln und genetisch analysieren. Im Gegensatz zu meinem Heimatland Sudan verfügen wir hier in der Schweiz über genügend Ressourcen und Hightech-Einrichtungen. Und wir können Lehrveranstaltungen besuchen. Ich kann hier mein Wissen vertiefen und Erfahrungen im Forschungsalltag sammeln.

«Mit einem internationalen Durchbruch in meiner Forschung könnte mein heimlicher Traum wahr werden – es gab noch keinen sudanesischen Nobelpreisträger.»

In meiner Heimat hat die Gesellschaft einen stärkeren Einfluss auf individuelle Entscheidungen, während hier das Individuum unabhängiger in seinen eigenen Ambitionen ist. Ich wünsche mir einerseits zum Wohl der Menschheit einen internationalen Durchbruch in meiner Forschung. Damit könnte andererseits mein heimlicher Traum wahr werden – es gab noch keinen sudanesischen Nobelpreisträger. Mit den Erkenntnissen meiner Doktorarbeit könnte ich als Autor Bücher mitschreiben. Die würde ich dann in den Sudan mitnehmen. Die Schokolade für Familie, Freunde und Kollegen darf ich nicht vergessen – sobald ich ihnen von der Schweiz erzähle, denken sie an Süssigkeiten.»

Ortal Senouf aus Israel treibt bei uns das maschinelle Lernen in der Medizin voran. Ihre Kolleginnen in Israel möchten lieber in der USA studieren. | Foto: Mpho Mokgadi

«Ich finde, in der Schweiz wird das Gleichgewicht aus Berufs- und Privatleben mehr respektiert»
Ortal Senouf
Doktorandin in Elektrotechnik an der EPFL

«Für meine erste Auslandserfahrung fand ich die Schweiz attraktiv, weil sie zahlreiche Kooperationen mit europäischen Universitäten und Instituten hat. Zudem gibt es hier Forschende aus der ganzen Welt. Mir gefallen auch die vielen Möglichkeiten, aus der akademischen Welt heraus ein Unternehmen zu gründen. Sonst ist die Schweiz ähnlich wie Israel: ein kleines Land, das auf Spitzentechnologie setzt. Viele Forschende aus meinem Land möchten lieber in die USA. Aber ich finde, hier wird das Gleichgewicht aus Berufs- und Privatleben mehr respektiert. Und die Natur ist wundervoll! Zusammen mit einem Freund unternehmen wir viel in der Umgebung von Lausanne und dem See.

«Die Schweiz ist ähnlich wie Israel: ein kleines Land, das auf Spitzentechnologie setzt.»

Dank des Exzellenz-Stipendiums konnte ich im Februar 2020 ein Doktorat an der EPFL beginnen. Dadurch konnte ich an einem Projekt mitwirken, dessen Finanzierung sonst nicht gesichert gewesen wäre. Ich bin Elektroingenieurin und befasse mich mit maschinellem Lernen und dessen Anwendungen. Meine Arbeit besteht darin, Expertise von Fachleuten und maschinelles Lernen zu kombinieren, um robustere Vorhersagemodelle im medizinischen, insbesondere im kardiovaskulären Bereich zu erstellen. Besonders spannend ist, dass wir dabei mit Fachleuten vom Universitätsspital Lausanne zusammenarbeiten: Sie verfügen über die Daten und das medizinische Fachwissen, und ich bringe meine Kenntnisse in Data Science ein.

Mein Stipendium dauert noch bis im Sommer. Ich habe nun ein Finanzierungsgesuch gestellt, um mein Doktorat hier weiterführen zu können. Danach kann ich mir gut vorstellen, in die Welt der Industrie einzutreten.»

Setareh Ebrahimiabareghi aus dem Iran analysiert bei uns Keramik aus dem Iran. Ihre Freizeit zu Hause verbringt sie meistens mit der ganzen Familie. | Foto: Mpho Mokgadi

«Die Forschung zur Sistan-Ebene verbindet mich auch immer mit meiner Heimat, der iranischen Stadt Bam»
Setareh Ebrahimiabareghi
Doktorandin in prähistorischer Archäologie an der Universität Bern

«Archäologische Forschungen bringen uns Einblicke in den Alltag der Menschen aus vergangenen Zeiten. Besonders die Erfindung der Keramik vor rund 10 000 Jahren war ein wichtiger Entwicklungsschritt für die Menschheit. Keramikscherben erhalten sich besonders gut und sind Zeugnisse für ein vertieftes Verständnis von Kultur, Religion und Wirtschaft in schriftlosen Epochen. Mein Projekt befasst sich mit Tepe Sadegh, einer bronzezeitlichen Siedlung in der Sistan-Ebene im Osten des Irans. Ich habe Glück, dass bei den Fundstücken auch organisches Material dabei ist, das wir mit der Radiokohlenstoffmethode datieren können. Die Universität Bern ist darin weltweit führend. Dies ermöglicht mir nun, eine Typologie der Keramik und eine Chronologie von Tepe Sadegh zu erstellen.

«In der Schweiz sind die Menschen freundlich, aber zurückhaltend, darum hatte ich zuerst den Eindruck, dass sie kühl sind.»

Die Forschung zur Sistan-Ebene verbindet mich auch immer mit meiner Heimat. Meine Familie lebt in der Stadt Bam. In der Schweiz sind die Menschen freundlich, aber zurückhaltend, darum hatte ich zuerst den Eindruck, dass sie kühl sind. Iranerinnen und Iraner sind offen, warmherzig und verbringen die Freizeit meistens mit der ganzen Familie, Tanten, Onkeln und deren Kindern. Will ich mich mit Freundinnen im Iran verabreden, rufe ich spontan an und schaue, ob es passt. Hier in Bern muss ich Treffen planen, mindestens eine Woche zum Voraus. Seit ich hier bin, habe ich viele Fotos von den wunderschönen Landschaften und den Bergen gemacht. Diese Fotos werden mich in den Iran begleiten, und ich werde sie meiner Familie zeigen, ihnen davon erzählen.»