Marcel Tanner ist Präsident des Verbunds der Akademien der Wissenschaften Schweiz (A+). | Foto: Annette Boutellier

Die Coronapandemie zwingt uns nicht nur, rasch neue Ansätze der Behandlung oder der Impfstoffentwicklung zu suchen. Sie lehrt uns auch, wie wichtig das systemische Denken ist, und schafft die Grundlage für eine neue Wissenschaftskultur: ein starker Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft und der kontinuierliche Versuch, transdisziplinäre Lösungen zum Nutzen der Gesellschaft einzusetzen.

Zur effizienten Bewältigung der Pandemie vertraute der Bund auch auf das Wissenschaftssystem der Schweiz mit seinen vier Pfeilern: ETH-Bereich, Swissuniversities, Schweizerischer Nationalfonds und Verbund der Akademien der Wissenschaften Schweiz. Er übertrug ihnen das Mandat einer unabhängigen wissenschaftlichen Taskforce. Über 70 wunderbar engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Bereichen unterstützen Bund und Kantone bei der Bewältigung der Kernfragen, die sich unserem Land stellen und aus wissenschaftlicher Sicht zentral erscheinen. Ein wissenschaftlicher Prozess, der nicht ohne internationale Netzwerke und Partnerschaften auskommt und die Erfahrungen aller betroffenen Länder einbezieht. Die Analysen und Empfehlungen der Taskforce sind als Policy Briefs auf deren Webseite öffentlich zugänglich und haben die politischen Entscheide und Massnahmen in der Schweiz wie auch international stark beeinflusst.

«Das Wissenschaftssystem ändert sich weniger durch theoretische Akrobatik als ganz einfach durch das Lernen am Objekt.»

Nebst den sehr positiven Erfahrungen auf allen Ebenen gibt uns diese Krisenerfahrung mittelfristig sehr wichtige und hoffnungsvolle Ausblicke, die uns helfen, die wohlbekannten problematischen Aspekte des Wissenschaftssystems, wie die auf Individuen zentrierte Metrik, das Silodenken und -handeln sowie die Herausforderungen in der Nachwuchsförderung zu überwinden.

In der Verantwortung für die schwierigen Fragen, die sich durch eine Pandemie stellen, hat die Taskforce ihre Aufgabe erfüllt: mit der Freude zu entdecken, der Freude zu teilen, und der Freude die Erkenntnisse umgesetzt zu sehen. Nun gilt es, diesen wirksamen und verbindenden Geist und die Praktiken in unser gesamtes Wissenschaftssystem zu tragen. So ändert sich nahezu harmonisch die Wissenschaftskultur, erfüllt vom Engagement, Fragen zu klären und Unsicherheiten aufzudecken, von offener Kommunikation mit Politik und Bevölkerung und stets basierend auf unseren ethischen und sozialen Grundlagen. Das Wissenschaftssystem ändert sich weniger durch theoretische Akrobatik als ganz einfach durch das Lernen am Objekt – so entstehen Erkenntnisgewinne und Exzellenz durch das Miteinander.