Das ist keine Visualisierung von Daten, sondern eine technische Übung für Schweizer Grafikschüler vor über 70 Jahren. | Bild: Reproduktion zweier Schularbeiten bei Hermann Eidenbenz, Allgemeine Gewerbeschule Basel, ca. 1941. Copyright Mathias Eidenbenz

Künstliche Intelligenzen entwerfen teilweise verstörende Werke, die aber nicht maschinengefertigt wirken. Dagegen könnte man vermuten, dass die hier abgedruckten grafischen Motive aus einem Computerspiel der 1990er-Jahre stammen. Oder die Resultate einer algorithmischen Datenauswertung darstellen.

Es ist ganz anders. Diese Motive wurden von Lernenden der Basler Grafikfachklasse in den 1940er- Jahren mit Reissfeder und Tusche hergestellt, im Rahmen des Fachs «Vorbereitendes Zeichnen». Ihre Geschichte macht deutlich, dass der Mythos der Einzigartigkeit, der dem Schweizer Grafikdesign gemeinhin anhaftet, hinterfragt werden kann. Die Motive zeigen nämlich eine vorwiegend technische Übung, wie die Grafikdesignhistorikerin Sarah Klein sagt. «Es gibt mehrere fast identische Originale, aber mit unterschiedlichen Unterschriften. Man ist strikt nach Vorlage vorgegangen und hat immer wieder die gleichen Motive manuell kopiert.» Als die Doktorandin im Nachlass des Grafiklehrers Hermann Eidenbenz auf diese Arbeiten gestossen ist, war sie zunächst «enttäuscht über die fehlende gestalterische Freiheit ». Doch dann wurde genau dieser Fakt zu ihrem Forschungsgegenstand.

Robert Lzicar von der Hochschule der Künste Bern, der das Forschungsprojekt über Schweizer Grafikdesign co-koordiniert, weiss, warum die Ausbildung damals so wenig kreativ war: «Es ging darum, den Grafiker vom Künstler abzugrenzen, ihn vom eigenen Strich wegzubringen. Es wurde Vereinheitlichung angestrebt, die Abkehr vom Menschlichen. Man bildete sozusagen Maschinenmenschen aus.» Im Rahmen seiner Forschung hat er mit Leuten geredet, die damals die Ausbildung durchliefen. «Jeder Strich, der sichtbar wurde, hat dazu geführt, dass man die Arbeit noch einmal neu anfangen musste. Und man hat ganz spezifisch geübt, um maschinell produzieren zu können.»

Ähnliche Übungsmotive seien zudem international verwendet worden, und der Austausch zwischen den Schulen sei gross gewesen. Auch diese Tatsache bildet einen Widerspruch zum Mythos der Einzigartigkeit des Schweizer Grafikdesigns. Und so folgert Lzicar: «Es geht uns auch darum, diesen in Frage zu stellen.»