Yves Flückiger ist Präsident des Verbunds der Akademien der Wissenschaften Schweiz a+. | Foto: Annette Boutellier

In der weitläufigen Landschaft internationaler wissenschaftlicher Gremien florieren Abkürzungen: ALLEA, EASAC, INGSA, um nur einige zu nennen. Selbst Insider verlieren zuweilen den Überblick. Hinter diesem Wald von Akronymen verbirgt sich jedoch eine grundlegende Herausforderung: Die Schweizer Wissenschaft muss sich Gehör verschaffen als glaubwürdige, verantwortungsvolle Stimme in den globalen Debatten.

Wenn sich die Akademien also aktiv an diesen Plattformen beteiligen, geschieht dies weder aus diplomatischen, rein symbolischen Gründen noch zum blossen Austausch von Best Practices. Vielmehr ist es eine strategische Notwendigkeit in einer Welt, in der die Grundausrichtung von Forschung, Innovation und neuen Technologien zunehmend von globalen Dynamiken beeinflusst wird.

«Die Schweiz kann in der ALLEA bei der Definition von europaweiten Standards mitwirken.»

Die ALLEA ist ein Zusammenschluss von europäischen Akademien der Wissenschaften. Die Schweiz kann dort bei der Definition von europaweiten Standards mitwirken, etwa zur akademischen Freiheit, zur wissenschaftlichen Integrität oder zur Rolle der Wissenschaft bei der Bewältigung von Klima-, Gesundheits- oder geopolitischen Krisen.

Der EASAC verbindet die Wissenschaft mit der Politik Europas in Bereichen wie Energie, Biodiversität oder öffentliche Gesundheit. INGSA, das globale Netzwerk zur wissenschaftlichen Beratung von Regierungen, erinnert daran, dass diese Aufgabe zu einer wissenschaftlichen Kompetenz und einem vollwertigen Auftrag der Akademien geworden ist.

«Die Machtblöcke investieren massiv in Schlüsselbereiche wie künstliche Intelligenz, Biotechnologie und Raumfahrt.»

Weshalb das heute so wichtig ist? Weil wir an einem historischen Wendepunkt stehen. Geopolitische Spannungen, der Wettlauf um strategische Technologien und Angriffe auf den Multilateralismus definieren die Spielregeln neu. Die Machtblöcke investieren massiv in Schlüsselbereiche wie künstliche Intelligenz, Biotechnologie und Raumfahrt, haben aber eigene Visionen von der Wissenschaft und ihren Zielen. In diesem Kontext ist es keine Option, abseits zu stehen.

Mit der Teilnahme an diesen internationalen Netzwerken behält die Schweiz einen Platz am Tisch, an dem die grossen Leitlinien ausgearbeitet werden. Dabei kann sie auch grundlegende Werte verteidigen: die Wissenschaft als globales öffentliches Gut, evidenzbasierte Expertise, die Vielfalt wissenschaftlicher Stimmen. Im aktuell unsicheren Umfeld übernehmen die Akademien eine einzigartige Rolle: Sie knüpfen ein Netz, mit dem sie die Verantwortung der Wissenschaft über die Grenzen hinaus wahrnehmen können. Das verdient trotz der vielen Abkürzungen ganze Aufmerksamkeit.