«ERC-Grants sind enorm wichtig, um die frühen Phasen der Entwicklung zu finanzieren»

Die Molekularbiologin Deana Mohr-Haralampieva von der Universität Zürich koordiniert das Horizon-2020-Projekt MUS.I.C., das eine Behandlung von Inkontinenz entwickelt. Dabei führt sie ein Team aus fünf europäischen Ländern. Sie erinnert sich an die Zusage 2016: «Das war sehr heikel». Wegen der Masseinwanderungsinitiative stand das Projekt aus Schweizer Sicht damals auf der Kippe. Für die Geschäftsführerin eines Spin-offs ist die Zusammenarbeit mit Europa essentiell: «Die potentielle Kommerzialisierung von Forschungsideen kommt nur durch multidisziplinäres Zusammenarbeiten zustande. Diese werden oft erst durch ERC-Grants finanziert, die enorm wichtig sind, um die frühen Phasen der Entwicklung zu finanzieren».

«Von den internationalen Untersuchungen profitieren Bundesstellen, Stiftungen oder Gemeinden»

Matthias Drilling forscht zu Armut und Obdachlosigkeit. Der Professor an der FHNW beteiligt sich dabei an COST-Aktionen, welche die Vernetzung Forschender in Europa fördern. Sie werden teilweise durch Horizon 2020 und Horizon Europe finanziert. Er nutzt zudem davon unabhängige Programme wie Croatian-Swiss Research. «Von den international vergleichenden Untersuchungen profitieren die vielen Bundesstellen, Stiftungen oder Gemeinden, die wir beraten». Ein Beispiel: «Obdachlosigkeit war in der Schweiz bis vor wenigen Jahren ein blinder Fleck. Nur Dank internationaler Kooperationen verfügen wir heute über ein nationales Zahlenwerk und entwickeln mit der Praxis eine dem Problem angemessene Sozialpolitik».

«Wir würden alle Kooperationen verlieren»

Der Plasmaphysiker Ambrogio Fasoli ist Präsident der Generalversammlung des Eurofusion Konsortiums, das im Auftrag von Euratom die Fusionsforschung in Europa organisiert. Er leitet zudem das Swiss Plasma Center der EPFL. Die Rolle der Schweiz im Eurofusion-Konsortium sei entscheidend. «Ich kann mir nicht vorstellen, nicht in das europäische System eingebettet zu sein. Wir würden alle Kooperationen verlieren, die für das globale Engagement unerlässlich sind». Zudem seien die EPFL und die Schweiz durch die Assoziierung an Euratom auch Partner des weltweiten ITER-Projekts, das die wissenschaftliche Machbarkeit der Fusionsenergie zeigen will. Nicht zuletzt wären die finanziellen Folgen für die EPFL und das Zentrum gravierend, da diese über die Assoziation zu Europa und ITER Beträge zwischen 7 und 8 Millionen Franken pro Jahr erhielten.

«Alternative Möglichkeiten für länderübergreifende Forschung würden noch wichtiger»

Silke Adam forscht an der Universität Bern zur politischen Kommunikation im digitalen Zeitalter und im internationalen Vergleich . Derzeit leitet sie gemeinsam mit Michaela Maier von der Universität Koblenz-Landau (DE) ein Projekt, das im Rahmen der DACH-Programme vom SNF und der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird. Obwohl sie nahezu immer länderübergreifend forscht, geschah das bisher nicht über die Rahmenprogramme der EU. Trotzdem: «Ohne Horizon Europe würde ein Gefäss verschwinden, das internationale Zusammenarbeit erleichtert. Konkret bedeutet dies für mich, dass alternative Möglichkeiten für länderübergreifende Forschung, wie zum Beispiel das DACH-Programm, noch wichtiger werden.»

Fotos: zVg

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